ISBN 978-3-86841-031-0
419 Seiten
18 €

 

 

Gustav Landauer
Antipolitik
Ausgewählte Schriften - Band 3.1
herausgegeben von Siegbert Wolf und illustriert von Uwe Rausch

Gustav Landauer wollte den Menschen Auswege aus der Anonymität und Isolation ihrer Lebensverhältnisse jenseits von Individualismus und Kollektivismus im Verständnis von sozialer Individualität in Gemeinschaft eröffnen. Hierbei war er nicht gewillt, bei einer von ihm immer wieder eingeforderten Gesellschaftskritik stehen zu bleiben. Vielmehr forderte er, aus dem Fundus anarchistischer Theorien schöpfend, dazu auf, system-oppositionelle Haltung zu verbinden mit konstruktivem, individuell und sozial verantwortlichem Handeln, um so die libertäre Lebenswelt zu verwirklichen. Im Zentrum seines Denkens und Handelns stand die Überzeugung, dass sich die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Engagement wiedererkennen müssen. Das Erstrebte, nämlich die restrukturierte Gesellschaft, müsse bereits auf dem Weg dorthin deutlich identifizierbar sein.

Die im vorliegenden Band “Antipolitik” der „Ausgewählten Schriften“ Gustav Landauers abgedruckten Texte legen den Schwerpunkt auf Geschichte und Programmatik des „Sozialistischen Bundes“ (1908-1915). Sie versammeln Landauers bedeutende, bis heute aktuellen Aufzeichnungen unter der Überschrift „Wege in die Gemeinschaft“ hin zu einer kommunitären, föderalistischen Restrukturierung der Gesellschaft.

"Siegbert Wolf gibt Gustav Landauers 'Ausgewählte Schriften' in 6 Bänden heraus. [...] Siegbert Wolf kennt Gustav Landauer wirklich. Das ist ein großes Glück für dessen Andenken." (Ronald Vierock, "Antipolitik" oder das Eigentliche? In: "Hinter der Weltstadt". Mitteilungen des Kulturhistorischen Vereins Friedrichshagen e. V., Nr. 20, April 2010, S. 55/56.)

Inhaltsverzeichnis und Personenregister (als PDF)

Rezensionen

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E.A. Homburg: Landauer ist möglich! Nach Jahren erscheint endlich eine umfangreiche Landauer-Ausgabe.
Mit den seit 2008 im Verlag Edition AV (Lich/Hessen) erscheinenden „Ausgewählten Schriften” Gustav Landauers (1870-1919) ist es nach bislang vergeblichen Anläufen erstmals gelungen, das Werk dieses bedeutenden Libertären in einer mehrbändigen Ausgabe umfassend zu präsentieren. Bislang konnten vier Bände - Internationalismus (Bd. 1, 2008), Anarchismus (Bd. 2, 2009) und Antipolitik (Bd. 3.1. u. 3.2, 2010) - vorgelegt werden; weitere zu den Themen: „Nation, Krieg und Revolution“, „Philosophie und Judentum“ sowie „Literatur“ werden folgen.
Als Literaturkritiker, Übersetzer, Roman- und Novellenautor, Vortragsredner und Essayist, als libertärer Sozialist und jüdischer Kulturphilosoph genoss Gustav Landauer hohes Ansehen. Er agierte als Anti-Politiker, Sprach- und Kulturkritiker sowie Initiator zahlreicher libertärer Projekte. Er legte als erster eine umfangreiche Übersetzung der mittelhochdeutschen Predigten des Mystikers Meister Eckhart vor (1903) und wirkte mit am Hauptwerk „Beiträge zu einer Kritik der Sprache“ (1901/02) seines langjährigen Freundes, des Sprachphilosophen Fritz Mauthner (1849-1923). Aus dieser Kooperation entstand die Schrift „Skepsis und Mystik. Versuche im Anschluss an Mauthners Sprachkritik“ (1903), die zusammen mit der geschichtsphilosophischen Monographie „Die Revolution“ (1907) und dem programmatischen „Aufruf zum Sozialismus“ (1911) für das Verständnis von Landauers Denken und Handeln grundlegend ist.
Was Gustav Landauer vor allem antrieb, betraf die Suche nach einer menschlichen Gemeinschaft freier und gleichberechtigter Menschen in einer dezentralen und föderal vernetzten Welt. Auf sämtlichen Betätigungsfeldern wird diese Sehnsucht nach einem selbstbestimmten, frei vereinbarten Miteinander deutlich: Sowohl in dem von ihm 1908 gegründeten „Sozialistischen Bund“ (gemeinsam mit seinem anarchistischen Freund Erich Mühsam) und in seiner Zeitschrift „Sozialist“ als auch in seiner umfassenden Rezeption der Dramen William Shakespeares sowie der Französischen Revolution von 1789, in seinen zahlreichen Vorträgen zur deutschen und internationalen Literaturgeschichte ebenso wie etwa in seinem Engagement für eine Regeneration des Judentums (gemeinsam mit seinem Freund, dem Religionsphilosophen Martin Buber), seinem Antimilitarismus und seiner Mitwirkung an den revolutionären Ereignissen in München 1918/19. Mit seiner ausformulierten Konzeption eines libertären und föderativen Sozialismus - Stichwort: kommunitärer Anarchismus - zielte er auf eine grundlegende Erneuerung des Menschen und der Gesellschaft in Richtung Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Humanismus.
Während der Revolution von 1918/19 engagierte sich Gustav Landauer von München aus für eine freiheitliche Umgestaltung der Gesellschaft. Unablässig warb er für ein föderatives und dezentrales Rätesystem. Während der ersten bayerischen Räterepublik im April 1919 agierte er als „Volksbeauftragter für Volksaufklärung“, sprich: Kulturminister. Allerdings blieben ihm substantielle Veränderungen versagt. Anfang Mai 1919 wurde er im Zuge der Niederschlagung der Revolution brutal ermordet.
Für Gustav Landauer bedeutete Anarchismus Herrschafts- und Staatslosigkeit, freies Ausleben der einzelnen Individuen und solidarischer Zusammenhalt aller Menschen. Ausgangspunkt ist seine anhaltende Empörung über soziale Ungerechtigkeiten und die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Wiederholt wies er auf die Notwendigkeit der Übereinstimmung von Zweck und Mittel hin, betonte die Überwindung von Gewalt in allen sozialen Beziehungen und forderte, bereits ‚hier und heute’ mit der gesellschaftlichen und persönlichen Umgestaltung zu beginnen.
Anarchie bedeutete für Landauer nicht nur keine Herrschaft von Menschen über Menschen, sondern auch keine Herrschaft äußerer Ziele, Zwecke und Sinngebungen über das Leben der Menschen. Außerdem stelle eine libertäre Gesellschaft kein in eine ferne Zukunft verschobenes Menschheitsprojekt dar. Anarchie war für ihn der höchste Ausdruck sozialer Ordnung, eine nichttotalitäre Ordnung, die keinen Krieg und keine strukturelle Gewalt mehr kennt.
Gustav Landauers Kulturphilosophie und Antipolitik wirkten auf so unterschiedliche Zeitgenossen wie Martin Buber, Erich Mühsam, Margarete Susman, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Georg Kaiser, Ernst Toller, Hugo von Hofmannsthal und Manès Sperber. Seine Schriften wurden in der deutschen Jugendbewegung diskutiert und nahmen Einfluss auf die genossenschaftliche Siedlungsbewegung in Palästina und auf viele Kulturzionisten.
Landauers noch heute lesenswerte Texte vermitteln nicht nur einen detaillierten Einblick in den Anarchismus, seine Geschichte, Theorie und vielfältigen Strömungen, sondern zeichnen zugleich ein sozialgeschichtliches Panorama einer bewegten Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts und in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Jeder Einzelband der „Ausgewählten Schriften“ Gustav Landauers ist mit einer ausführlichen Einleitung sowie umfassender Textkommentierung seitens des Herausgebers versehen; beigefügt sind jedem Band eine Primär- und Sekundärbibliographie, eine chronologische Zeittafel zu Leben und Werk Landauers, ein Namenregister sowie eindrucksvolle Illustrationen des hessischen Künstlers Uwe Rausch (Langen).
Dem Herausgeber Siegbert Wolf, Historiker und Publizist aus Frankfurt/M., und dem Verlag Edition AV ist für diese vorzüglich edierte Werkausgabe zu Gustav Landauer zu danken.

 


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