ISBN 978-3-86841-007-5
171 Seiten (inkl. DVD "Das 23. Jahr")
16 €

 

Rachel Kowachi
Nakajima
Eine Erzählung (inkl. DVD "Das 23. Jahr")

Diese Geschichte von der Liebe eines alternden Wissenschaftlers und einer jungen Journalistin wird aus der Sicht all jener erzählt, die zum einen oder anderen Zeitpunkt der Liebesgeschichte mit ihnen in Berührung kommen. Die Atelierhausbesitzerin, ihre Nachbarn, ein Hotelbesitzer in Tokyo und die Freundin der Atelierhausbesitzerin schildern auf der Polizeiwache bzw vor dem Untersuchungsrichter, die das rätselhafte Verschwinden der Gaijin aufzuklären versuchen, wie sie das Verhältnis von Avital Shai und Yoshio Nomura erlebt haben. Mineko Nomura, die betrogene Ehefrau, macht bei ihrer Aussage vor dem Untersuchungsrichter keinen Hehl aus ihrer Erleichterung, dass die ungeliebte Konkurrenz verschwunden ist. Der Ehemann, Yoshio Nomura, berichtet auf der Polizeiwache und später ein zweites Mal vor dem Untersuchungsrichter von seiner Beziehung zu Avital Shai. Zum Schluss kommt der Geist der toten Frau mithilfe eines Mediums zu Wort.

Dem Buch liegt der Kurzfilm das 23. Jahr von Ya’ir Magall bei.

Von Rochal Kowachi ebenfalls bei Edtion AV erschienen:
Brot der Armut
Blutbraut

Für alle Bücher zu Magall
"Alle Drei Romane kann der Leser einfach irgendwo aufschlagen, es ließt sich sofort wie ein Krimi. Meinungen, Leidenschaft, Aktionen prallen ungehemmt aufeinander."
Philipp Sonntag, Jüdische Zeitung, April 2011

Rezension:

Philipp Sonntag: Leidenschaftliche Lebensstile, erschien in: Jüdische Zeitung, Dezember 2011

Wie viel Bewegung kann eine israelische Powerfrau in die Welt bringen? Eine solche  – genannt Avital  –  bringt liebevolle Zuwendung in munterer Fülle überall hin, vor allem nach Nakajima, einer geheimnisvollen Insel in Japan. Es mag den deutschen Leser überraschen, hier ist ein Buch aus jüdischem Kontext, in dem es weniger um Unheil, Angst, Terror, um "Leben trotz allem" geht – sondern mehr um das genussvolle Ausleben einer alles erfassenden Lebenskraft. Natürlich, wo gehobelt wird, da Fallen Späne, und hier nicht zu wenig. Aber auch in diesem Schicksalsroman entscheidet letztlich jeder selbst, wieweit er sich von Frustrationen und Schuldgefühlen überwältigen lässt, wieweit er kräftig aktionsfähig bleibt.
Das Liebespaar und seine Tragik regt viele auf: Die junge Journalistin Avital Shai aus Israel und der alternde Wissenschaftler Yoshio Nomura aus Japan. Als Avital nahe der Insel Nakajima verschwunden ist, gerät Yoshio unter Mordverdacht. Der Untersuchungsrichter sucht in Interviews Anhaltspunkte. Nicht zuletzt Nakajima, die "Insel der Mitte" im Toya See auf der japanischen Insel Hokkaido, wirkt „verdächtig“ rätselhaft.: Das Medium, durch dessen Mund am Ende der Geist der toten Frau spricht, setzt den abenteuerlichen Spekulationen eine gespenstische Krone auf. So entsteht Avital nach und nach aus den Beobachtungen der vielen ihr begegneten Menschen,  in einem Mosaik aus Emotionen.
Der Leser erlebt ein leidenschaftliches Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensstile. Fern einem feindlichen "Crash of Civilisations" versuchen die Beteiligten so verständnisvoll wie möglich aufeinander zu zu gehen – aber was ist dem je auf seine eigene Art „modernen“ Menschen möglich?
Avital war zunächst eine Stipendiatin in einem Atelierhaus in Worpswede, einem "Ort so klein, dass er kaum auf der Landkarte zu finden war". Das Atelierhaus stand im Mittelpunkt des Lebens derer japanischen Witwe Aiko Iwasaki, die dort in mühseliger Tristesse gestrandet war, denn "wie so viele Frauen ihres Alters hatte sie ihr ganzes Leben in den Dienst ihres Mannes gestellt. So etwas findet man heutzutage ja kaum noch." Aiko sieht in Avital bei der ersten Begegnung sogleich eine Reinkarnation ihrer vor langem gestorbenen, wehmütig vermissten Tochter. Die Beziehung von Avital zu Aiko ist eine von vielen, die der Aufklärung von Avitals Verschwinden geheimnisvolle Rätsel auftürmt. Die Ehefrau Mineko Namura war mit Yoshio glücklich, bis Avital auftauchte und nun laufend in den Nachrichten zusammen mit Yoshio gezeigt wurde. Sie wusste, als Hauptfrau soll sie alles mit Würde ertragen, egal ob der Ehemann Schülerinnen mit nach Hause bringt und „etwas mit ihnen anstellt“, also auch egal ob er mit dieser Journalistin als unzertrennliches Team auftritt – aber eines Tages machte Mineko ihrem Ehemann eine Szene, unübersehbar für das Umfeld. Yoshio hörte ihr ganz ruhig zu, überließ es dann Aika, seine Frau zu beruhigen – und Mineko „... schämte sich zutiefst. Wenn ihr Mann sie verachtete, befand er sich durchaus im Recht.“ In Wirklichkeit geht das Leid von Mineko keineswegs spurlos an Yoshio, an Avital, überhaupt an den im Umfeld Beteiligten vorbei, und die ewigen Themen – monogam oder polygam, wie geht „man“ mit einer Nebenfrau um, was darf sie usw. – verunsichern alle.
Die israelische Autorin Rachel Kochawi unternimmt gelegentlich solche kleinen Ausflüge in gesellschaftliche Zusammenhänge, findet aber jeweils sogleich zurück in die romantische, bis hin zu feenhaft verzaubernde Stimmung des Buches, in die sie den Leser schon in den ersten Zeilen führt: "Noch lag milchiger Nebel wie ein dickes Blatt Reispapier über der Landschaft und verbarg sie den Blicken. Ein Plätschern, wie wenn jemand die Hand ins Wasser taucht und sie leicht darin bewegt, drängte sich in die opake Stille. Vogelstimmen ...".
Die Autorin verbindet erzählerische Dramatik und fundierte Sachkenntnis. Sie entzündet die feinen Schattierungen von Leidenschaft und Liebe aneinander. Da sprühen die Funken wie schon in ihren Romanen "Das Brot der Armut –  Die Geschichte eines versteckten jüdischen Kindes" und "Die Blut-Braut –  Eine politische Liebesgeschichte", in der "die Realität" alles unternimmt, damit eine Palästinenserin und ein Israeli nicht zueinander, nicht einmal zu sich selbst finden können. Die Übersetzerin aus dem Hebräischen, Miriam Magall, lässt auch auf Deutsch jede Zeile vibrieren.

In all diesen Büchern von Rachel Kochawi wird anschaulich: Wir Menschen sind überfordert, und doch sind wir selbst es, die wir einander überfordern. Die Liebe vermag uns im Dunklen zu leuchten, und es gibt Menschen, die dies erkennen und schon mal für ein paar Schritte aufgreifen. Die Tragik unserer Schicksale in Liebe und Gewalt ist heftig, so auch in Nakajima. Am Ende des schicksalsschweren Krimis trifft der Untersuchungsrichter eine Entscheidung, als würde er einen gordischen Knoten mit einem Samuraischwert "lösen". Danach blickt er versonnen auf die Insel Nakajima, die sich "wie eine schlafende Frau" im See ausstreckt, dabei im Sonnenuntergang "ganz oben, sozusagen auf ihrer Stirn, da leuchtete es hell rötlich in der sich herabsenkenden Dunkelheit, wie eine offene Wunde."

 

 

 

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